Sonntag, 21. Mai 2017

Dämmerschoppen

Es muss 1327 gewesen sein. Dem Mainzer Kurfürsten Matthias von Buchegg haben offensichtlich die andauernden Streitigkeiten zwischen Papst Johannes XXII. und König Ludwig dem Bayern ziemlich zugesetzt. Dazu kommen auch noch die leidigen Auseinandersetzungen mit den Hessischen Landgrafen. Seit mehr als sechs Jahren hat er den Bischofsstuhl in Mainz inne. Er, ein Schweizer Benediktinermönch, statt Balduin von Luxemburg, dem zu jener Zeit bedeutendsten Fürsten im Reich. Er leidet, es geht ihm nicht gut. Der kaiserliche Hofarzt Rembot weiß Rat: „Kurz vor Sonnenuntergang und jeweils kurz danach sollte der hohe Herr einen 'wohlgetönten' Rheingauer zum Schutz für Leib und Seele zu sich nehmen", weiß Elmar M. Lorey in seinem Werk „Als der Wein noch vom Arzt verschrieben wurde. Von den Freuden einer Wiederentdeckung“ * zu berichten. Der Dämmerschoppen ist erfunden und – von besonderer Wichtigkeit - ärztlich verordnet.

Zum Dämmerschoppen gehört also ein Rheingauer Wein. Ohne Frage! Es bedurfte nicht der Betonung durch den kaiserlichen Hofarzt. Schadet aber auch nicht.

Meine Empfehlung zum Dämmerschoppen kommt daher heute aus dem Erbacher Weingut Heinz Nikolai. Man entdeckt das Weingut nicht gleich, nahezu unscheinbar schmiegt es sich an die Bebauung an der Ecke Ring- und Franseckystraße. Heinz Nikolai und sein Sohn Frank sind Winzer in fünfter und sechster Generation. Gemeinsam mit ihren Ehefrauen betreiben sie ein beachtlich großes Weingut. Alte Rheingauer würden jetzt sagen, sie 'strunze nit'. Es macht sie so unaufgeregt sympathisch in der lauten und allzu schnellen Weinwelt. Und sie können Wein!

Ich werde ihnen nicht gerecht, da ich nur einen Wein auswähle. Aber, der ist ein Riesling von außergewöhnlicher Güte. Dieser Wein ist selbst im so besonderen Rheingau herausragend:  

2016er Erbacher Michelmark Riesling „Filetstück“ trocken.

Filetstück aus dem Weingut Heinz Nikolai
Die Bezeichnung alleine macht mich neugierig. Klar, Michelmark ist schon eine tolle Weinlage, oberhalb von Erbach, Richtung Kiedrich. Guter Boden, schöne, sanfte Südwestlage. Aber, 'Filetstück'? Ja, unbedingt. Ein komplexer Wein mit rassigen Aromen und markanter Mineralität, der trotz seiner Fülle leicht und weich daher kommt. Für mich ein echtes Rheingauer Filetstück! Fast zu schade für einen Dämmerschoppen.

Zu beziehen über das Weingut – www.heinz-nikolai.de. Alk. 13 %, 8,50 Euro/0,75 l Flasche



*in RheingauForum (Zeitschrift für Wein, Geschichte, Kultur), 9. Jahrgang, Heft 1, 2000, H.1, Seite 30–36