Donnerstag, 20. Juli 2017

Aus Lanzen werden Winzermesser

Kennen Sie Jewgeni Wiktorowitsch Wutschetitsch? Wahrscheinlich nicht. Seinen Werken ist der eine oder andere schon begegnet – möglicherweise im Treptower Park in Berlin oder im Park neben dem UNO-Hauptquartier in New York. Vielleicht sein berühmtestes Werk – Schwerter zu Pflugscharen. Ein Heros schmiedet aus einem Schwert einen Pflug. Sozialistischer Realismus mitten in den USA. Irgendwie spannend und aktuell. Steht dort seit dem 04. Dezember 1959. Die Russen hatten weniger die Bibelstellen bei Jesaja oder Micha im Sinn. Sie wollten einen sichtbaren Beitrag zur UN-Friedenscharta leisten.

Der bedeutende Theologe und Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer entwickelte daraus im Herbst 1983 im Lutherhof zu Wittenberg eine sehr symbolträchtige Aktion: Ein Handwerker schmiedete vor viertausend Teilnehmern des Kirchentages aus einem Schwert einen Pflug. „Schwerter zu Pflugscharen“ - das Symbol und Motto der Friedensbewegung. Nun werden Russen und später die vielen Friedensaktivisten nicht immer den biblischen Kontext bei ihren Aktionen vor Augen gehabt haben. Wahrscheinlich sogar eher seltener. Heißt es doch bei Jesaja (2,4) schon vor mehr als 2700 (!) Jahren:
Er spricht Recht im Streit der Völker,
er weist viele Nationen zurecht.
Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern
und Winzermesser aus ihren Lanzen.
Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg.“

Aus Lanzen werden Winzermesser. Was für eine schöne Vorstellung. Jetzt sind Winzer ja eh nicht so die kriegerischen Kämpen. Meist sind es filigrane Charaktere oder komplexe Typen, wie ihre Weine. Ihre Heimat- und Bodenverbundenheit verleiht ihnen ein gerüttelt Maß an Geduld. Unvergessen die nette Anekdote über die Rheingauer Winzer, die sich bei der 'Revolution' gegen den Herzog von Nassau 1847 verspäteten, weil sie auf ihrem Weg von Lorch bis Wiesbaden unterwegs in jedem Ort von der Bürgerschaft hinreichend mit Wein versorgt wurden. So kam die Rheingauer Abordnung eben 'dreivertels besoffe' zu spät. Ganz anders die Mosel-Winzer. Nahezu 2000 Winzer stürmten am 25. Februar 1926 das Finanzamt in Bernkastel-Kues. Auch eine nette Vorstellung. Ihnen blieb aber damals kaum eine andere Wahl, ihre Existenz stand auf dem Spiel – schwierige Weinjahre, enorme Verschuldung der Winzerfamilien und eine exorbitant hohe Weinsteuer. Aus Frankreich kennen wir ähnliche 'Aufstände' in den Jahren 1907 im Languedoc und 1911 in der Champagne.

Winzer und Winzerinnen haben in unserer Zeit oft andere Kämpfe zu führen. Natürlich auch immer wieder mit viel Bürokratie. Und mit schwierigen Witterungsverhältnissen. Heute ist der Gedenktag der Heiligen Margareta (in der Ostkirche Marina), eine der vierzehn Nothelfer. Der Legende nach eine große Kämpferin für den Glauben im frühen Christentum. Patronin der Bauern. In der katholischen Pfarrkirche in Erbach im Rheingau ist eine wundervolle Skulptur der Heiligen zu sehen. Das Wetter am 20. Juli lässt – nach den Bauernregeln – auf die Ernte schließen. Warten wir es ab. Im Spannungsfeld zwischen Nachhaltigkeit und Zeitgeist liegen jedoch aktuell die größten Herausforderungen der Weingüter. Das kann gelingen.

Beispiele? Gerne – heute mal ohne Riesling:

Markus Boor aus Traben-Trarbach – Kirchengut Wolfwww.kirchengut-wolf.de
Schöner Trinkgenuss: 2016 Weißburgunder trocken

Alexander Jung aus Erbach – Weingut Jakob Jungwww.weingut-jakob-jung.de
Mag ich: Jung Chardonnay "unoaked" trocken 2015

Michel Andres und Steffen Mugler aus Ruppertsberg – Sektkellerei Andres + Mugler
Macht Spaß: 2013er Cuvée Louis Brut