Freitag, 2. Februar 2018

Das fleißige Lieschen

Es klingt in keiner Weise ironisch, eher nach einer Hommage von Bastian Strebel an seine Frau Lisa Bunn. Er hat die Weinbezeichnungen mit Bedacht und zutreffend ausgewählt.

Die Sonne begleitet mich auf der Fahrt von Mainz nach Nierstein. Dieser verwinkelte Ort mit seinen vielen alten Adelshöfen, traditionsreichen Gütern und seiner Geschichte seit römischer Zeit, zwischen Nackenheim und Oppenheim gelegen, ist einer der größeren Weinbau-Gemeinden Rheinhessens. Mein Blick ruht auf den Rheinauen längs der Bundesstraße. Hochwasser und Sturmschäden haben ihre Spuren hinterlassen. Morbider Charme umfängt mich. Jenseits der Straße erstreckt sich der Rote Hang. Eine Filetlage Rheinhessens. Hier und da Weinbergsarbeiter im Einsatz. Die Sonne gewährt mir an diesem Januartag ein beeindruckendes Farbenspiel. Die Farbe Lila präsentiert sich mir gleich nach der Ortseinfahrt. Das Weingut Lisa Bunn begüßt alle Besucher und durchfahrenden Autofahrer mit dieser prägnanten Farbe. Die Farbe des Weinguts. Die Farbe von Würde und Eleganz. Zutreffend!

Eva Bunn, die Gattin des Seniors Georg, begrüßt mich auf dem Hof mit fröhlichem, ansteckenden Lachen. Eine Britin mit österreichischen und ungarischen Wurzeln, die lange im Saarland lebte - mehr Europa geht nicht. Lisa wird sich verspäten, sie ist noch auf der Baustelle. Gerade werden die vier Standorte des Weinguts auf zwei reduziert. Eva Bunn führt mich in die Vinothek und präsentiert mir den ersten Wein: 2016er fleißiges Lieschen. Ein trockner Riesling aus Guntersblum, 7,90 Euro die Flasche. Es ist irgendwie ein rheinhessisches Understatement diesen Wein als 'Basiswein' zu bezeichnen. Das ist Riesling pur. Leichte, angenehme Fruchtnoten und die geringe Säure lassen mich gleich mit einem zarten, schlichten und angenehmen Geschmackserlebnis starten. Mit Stolz und voller Wärme erzählt Eva mir von Lisas und Bastians Arbeit. Während wir einen kleinen Ausflug zur Scheurebe machen - 2016er Scheu., ein Gaumenschmeichler, kommt Lisa Bunn. Müde sieht sie aus. Kein Wunder: Mutter, Bauherrin, hochgelobte Jungwinzerin. Und doch strahlt sie eine Ruhe und Gelassenheit, eine Fröhlichkeit und Begeisterung aus, die nur Menschen haben, die ihr Können leben. Ihre Präsenz füllt den Raum, und sie mir zur Begrüßung einen 2016er Nierstein Riesling vom Rotliegenden ins Glas. Ein echter Niersteiner. Trocken, saftig, eine angenehme Frische und Würze voller Nachhall. Schon sind wir mitten im Gespräch, konzentriert kommentiert sie ihre Weine, die das Ergebnis einer tiefen und vertrauensvollen Partnerschaft zwischen ihr und ihrem Mann Bastian Strebel sind. Er kümmert sich nicht nur um den Außenbetrieb, im Keller musste er in den letzten 1 1/2 Jahren häufiger auf sie verzichten. Der einjährige Theo fordert seine Mutter.

Lehrerin sollte sie nach dem Willen der Oma werden. Die harte Weinbergsarbeit sei nichts für ein junges Mädchen. Sie hat sich anders entschieden. Wir probieren den 2016er Nierstein Oelberg Riesling. Lisa und Bastian haben ein Faible für trockene Weine. Der Lagenwein, nicht ganz günstig mit 16,50 Euro, ist ein Highlight. Wunderbar eingebundene Säure, harmonisch, eine leichte Pfirsichnote und ein eleganter, angenehmer Abgang. Eine Alternative zu roten Weinen am Kamin. Lisa strahlt, alle Müdigeit verflogen. "Ein typischer Basti-Wein", schwärmt sie beim 2016er Sauvignon Blanc Löss. Und ich bin begeistert. Was für exotische Früchte in der Nase!

Vater Georg kommt in die Vinothek. Er erkundigt sich nach Theo, ob er versorgt sei. Und, ob er für sie den anschließenden Termin wahrnehmen solle. Fürsorge und Verantwortung. Als er seiner Tochter das Weingut übergab, hat sie Zug um Zug viel verändert. Das Angebot an Rebsorten reduziert, die Weinbergsflächen erweitert, die Weinstilistik verändert, das Marketing entwickelt und die Preisgestaltung angepasst. Tradition begegnet der Herausforderung. Lisa weiß sich dabei von ihrem Vater, ihrem Mann und ihrer Familie getragen.

Der 2016er Chardonnay Reserve überrascht mich. Die noch jungen Reben vom Dienheimer Tafelstein wachsen auf einem Kalkboden. Die Trauben handgelesen, wie üblich im Weingut Lisa Bunn. 24 Stunden Maischestandzeit, ein Jahr im Holzfass gelagert. Der Duft von Kaffee und Kakao lädt mich ein. Ein Wein voller Saft, nicht süffig. Die Säure dezent. Der Wein macht Spaß. Ebenso der 2015er Pinot Noir Löss. 15 Monate im Holzfass gelagert, die seit 2014 im Weingut eingesetzt werden. Der Wein hat eine angenehme Leichtigkeit, zarte Noten von Waldbeeren, nicht verspielt, klar und frisch. Ein Rotwein für alle Anlässe. Ich gebe zu, mein Liebling ist ein Merlot. Man möge es mir verzeihen. Aber, der 2014er Merlot Reserve hat es mir angetan. Es ist der erste Merlot-Jahrgang im Weingut. Die Reben 2010 gepflanzt, der Wein zwei Jahre im Barrique gereift. Ein kraftvoller und komplexer Wein. Grüner Tee, Würznoten und ein Hauch von Zartbitterschokolade bestimmen ihn. Ein junger Wein mit Zukunft. Wie Lisa Bunn und ihr Mann Bastian Strebel. Die vielen verdienten Auszeichnungen sind noch nicht die Spitze. Da lohnt sich immer ein Besuch in der Mainzer Straße 86 in Nierstein. Ein Weingut auf dem Weg ganz nach oben.